2011 09 La8 Museum Rotkaeppchen Klein

KOPF ODER ZAHL. Die Quantifizierung von allem im 19. Jahrhundert

Die Ausstellung führt den bis heute folgenreichen Triumph der Zahl in allen Lebensbereichen des 19. Jahrhunderts vor Augen. Die Fingerrechenmaschine für Kinder, sozusagen der damalige Schultaschenrechner, rührt uns heute. Zugleich ist sie Zeugnis der durchgreifenden Quantifizierung des Alltags, die mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht parallel lief und zur Standardisierung der lokal verschiedenen Maß- und Recheneinheiten, zur exakten geografischen und statistischen Vermessung der Welt, zu feinmechanischen Höchstleistungen hölzerner und metallener Waagen, Kassen und Rechenmaschinen führte. Zu sehen sind ein historisches Klassenzimmer, die im 19. Jahrhundert erstmals dauerhaft eingeführten Geldscheine, Eichkörper im damals neuen Dezimalsystem, Börsen- und Bankgründungen in bildlichen Zeugnissen aus Zeitschriften und Populärliteratur sowie Gemälde einer neuen bürgerlichen Klasse, der Finanzelite, die sich zum Teil sogar adeln ließ. In der Ausstellung macht eine exquisite Reihe deutscher, schweizerischer, englischer und amerikanischer Rechenmaschinen das intensive Ineinander von Zahlenabstraktion und technologischer Rationalisierung sichtbar. Erst mit dem Computer kommt die intensive Bemühung des 19. Jahrhunderts, Zahl und Maschine zu integrieren, zu ihrem Ziel. Aus diesem Grund bildet der Großrechner Zuse 23, ein weltweit sehr seltenes Sammlerstück aus der Werkstatt des IT-Pioniers Konrad Zuse von 1961, die raumgreifende und anschauliche Verknüpfung unserer Zeit zurück in das Jahrhundert der Quantifizierung.
In diesem Jahrhundert ereignete sich der Übergang von der großen „1“ zur „2“, vom einen Gott zu Pluralismus und Relativität, vom Einzelgegenstand im alltäglichen Leben um 1800 zum Massenprodukt um 1900, vom gemalten Unikat zur fotografischen Vervielfältigung, von fürstlicher Einzelherrschaft zu bürgerlicher Konkurrenz um Mitsprache und Macht. Technisch und wirtschaftlich verlief die Entwicklung umgekehrt. Die Normierung der bunten Vielfalt der regionalen Maße wie Klafter, Elle und Fuß und die Standardisierung einer landesweit gültigen Uhrzeit begünstigten Handel und Verkehr. Die Quantifizierung von allem im 19. Jahrhundert vereinheitlichte das praktische Leben einerseits und vervielfältigte Werte und kulturelle Deutungen andererseits.

 

Datum

10 Sep 2011 - 26 Feb 2012
Vorbei!
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