KRIEG SPIELEN. Kunst und Propaganda vor dem Ersten Weltkrieg
Mehr als dem bösen Bildfaszinosum des Krieges widmet sich diese Ausstellung der heilen und bewohnbaren Welt, die im Krieg unterging. Die Widersprüche der Zeit – technologischer Fortschritt und obrigkeitsstaatliche Repression, souverän gesteuerter Wirtschaftsboom und mitunter schwankende politische Führung – werden in vielen Gegenständen und Bildern der Alltagskultur seit 1900 sichtbar.
Bevor der große Krieg kam, wurde an vielen Stellen innerhalb einer friedlichen Alltagswelt bereits Krieg gespielt. In der Ausstellung wird das damalige Leben in idyllisch anmutenden Städten, Gartenlauben, behaglichen Wohnungen und auf Familienfesten auf den historischen Fotografien von Caspar, Wilhelm und Robert Martin Eltner aus der Sammlung Simone Demandt lebendig. Aus diesem spektakulär umfangreichen, erstmals gezeigten Fundus erwächst ohne merklichen Übergang auch die Bildwelt der nahenden Katastrophe. Begeistert werden Flugzeuge und mobile Röntgenapparate bewundert – atemberaubende technische Neuheiten, die nur zu bald zu brutalem Einsatz kommen sollten.
Die politische Karikatur, von der hervorragende Exemplare in der Ausstellung zu sehen sind, lief vor 1914 zu beißender, hellsichtiger Hochform auf – und konnte bei aller Übertreibung den kommenden Horror kaum voraussehen. Aus heutiger Sicht ist eine andere Bildwelt fast aufschlussreicher. Kinderspiele waren oft Kriegsspiele. Dass sich ein Markt für Bausätze und Miniatureisenbahnen etablierte, zeugt vom sich ausbreitenden Wohlstand im Bürgertum.
Wer man aber als anständiger Deutscher sei, war hinter der bürgerlichen Fassade gar nicht so selbstverständlich. Die junge (Wieder-)Erfindung der Deutschen Nation stabilisierte sich durch aggressive Abgrenzung zur wirtschaftlichen und geopolitischen Konkurrenz aus Frankreich und England. Unter der Hand zog mit Schiffs-, Festungs- und Burgenbausätzen der Militarismus in die bürgerliche Kinderstube ein.
Einerseits war Deutschland seit dem deutschfranzösischen Krieg 1870/71 zu einer wirtschaftlichen Weltmacht herangewachsen. Nicht alle, aber immer mehr Deutsche genossen den wachsenden Wohlstand. Andererseits waren die freiheitlichen und demokratischen Rechte nicht so schnell gewachsen wie die technologische und militärische Kraft Deutschlands. „Unsere Zukunft liegt auf dem Meer“ – ein Ausspruch des deutschen Kaisers Wilhelm II. von 1898, ebenso expansionistisch forsch wie unfreiwillig abgründig. Das Deutsche Reich sollte Seemacht werden – und damit grausam baden gehen.